10.03.2007
Tricksen und
Täuschen
Angela
Merkels Klimaschutz
Von Wolfgang
Pomrehn
Eines muß man der Kanzlerin und ihrem Stab lassen: Das
Stück, das sie
diese Woche auf der Brüsseler Bühne mit tatkräftiger
Hilfe aus einigen
anderen EU-Hauptstädten aufführten, war aufwendig
ausgestattet, gut
durchgeplant und hat den gewünschten Eindruck beim Publikum
hinterlassen: Angela Merkel steht als Heldin des Klimaschutzes da, das
Wahlvolk ist fürs erste beruhigt, und die deutsche Industrie hat
–
trotz lautem Geschrei aus der Zentrale des BDI – nichts weiter zu
befürchten. Beigetragen hat zum Erfolg der Inszenierung nicht
unwesentlich das hiesige Pressecorps, dem offensichtlich die Kenntnis
der Prozentrechnung abgeht.
Merkel
hat sich also mit ihrem »ambitionierten« Klimaschutzziel
durchgesetzt.
Die EU will bis 2020 ihre Treibhausgasemissionen um 20 Prozent
reduzieren, aber natürlich nicht gegenüber dem Ist-Zustand
von 2007,
sondern gemessen am Niveau von 1990. Genau dort liegt der Hase im
Pfeffer. Damals standen in Osteuropa noch jede Menge Betriebe der
Schwerindustrie, die nicht gerade sparsam mit Energie umgingen.
Entsprechend hoch waren die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid.
Seitdem hat es dort einen industriellen Kahlschlag sondergleichen
gegeben, so daß sämtliche neuen EU-Mitglieder in Ost- und
Südosteuropa
genauso wie auch Ostdeutschland heute mit ihren Emissionen weit unter
dem Niveau von 1990 liegen. Rechnet man das alles ein, dann haben die
EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel mit viel Trara
beschlossen,
daß die Emissionen der Gemeinschaft um lächerliche fünf
Prozent über
das im Kyoto-Protokoll ohnehin schon verpflichtend Festgelegte hinaus
reduziert werden. Ambitionierter Klimaschutz sieht anders aus.
Merkels
Taschenspielertrick ist übrigens ein Remake Kohlscher
Regierungskunststücke. Ihr späterer Mentor Helmut Kohl hatte
im Sommer
1990, als er noch christdemokratische Verlegenheitslösung im
westdeutschen Kanzleramt war, versprochen, »Deutschland«
– das heißt
das, was heute alte Bundesländer genannt wird – werde bis
2005 seine
Emissionen um 25 Prozent reduzieren. Fünf Jahre später
– sein Staat war
inzwischen um fünf »neue« Bundesländer und eine
verwüstete
Industrielandschaft reicher – hat er das Versprechen wiederholt.
Herausgekommen sind schließlich 16 oder 17 Prozent – trotz
Abbau Ost.
Mit anderen Worten: Die westdeutsche Industrie hat 17 Jahre
verschlafen, und Merkel zeigt auch heute keinerlei Absicht, sie zu
erwecken. Und damit sie nicht aus Versehen an der einen oder anderen
Stelle zu laut hustet, hat sie sich unlängst einen Klimaberater
zugelegt. Der ist als Chef von Vattenfall sozusagen vom Fach und
weiß
genau, wie man der Öffentlichkeit den Betrieb maroder AKWs und
aberwitziger Braunkohlekraftwerke als modern vekauft.